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Ulm News, 26.10.2010 16:50

26. Oktober 2010 von Ralf Grimminger
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„Fakten statt Durchhalteparolen: S 21 - auch für Ulm kein Gewinn!“


„Fakten statt Durchhalteparolen“ hatten der Ulmer BUND und das Aktionsbündnis „K 21 – gut für Ulm“ versprochen. Dem ist der Referent, Prof. Karl-Dieter Bodack, gestern Abend ausgiebig nachgekommen: Im mit rund 200 Besuchern voll besetzten Stadthaus lieferte er in seinem knapp einstündigen Vortrag nicht nur eine Fülle von Informationen, sondern blieb auch in der anschließenden fast eineinhalbstündigen, sehr sachlich geführten und vom Ulmer BUND-Vorsitzenden Dr. Dieter Fortmann souverän moderierten Diskussion fast keine Antwort schuldig.

Auf sehr überzeugende Weise ging der Gast, der rund drei Jahrzehnte in Stabs- und Führungspositionen der Bahn gearbeitet hat, zunächst auf die verkehrliche Seite von Stuttgart 21 ein. Sein Hauptkritikpunkt: Ein integraler Taktfahrplan nach Schweizer Vorbild, der durch gute Umsteigemöglichkeiten zu geringen Gesamtreisezeiten führt, ist mit Stuttgart 21 nicht zu machen. Als Teilnehmer der Schlichtungsgespräche konnte er die dort am Freitag erstmalig öffentlich vorgestellte vorläufige Gleisbelegung im neuen Bahnhof präsentieren. Anhand einer Grafik schilderte er, wie die Züge in Stuttgart ein- und ausfahren werden und dabei wichtige Umsteigebeziehungen ausgeschlossen sind. Bodack: „Der Sichtkontakt zu einem gerade den Bahnhof verlassenden Anschlusszug ist besonders erfreulich“.

„Der Stuttgarter Kopfbahnhof hat immer ausgereicht“

Ein Bahnhof, der kurze Anschlüsse in alle Richtungen ermögliche, müsste nach Auffassung von Bodack in Stuttgart 14 Gleise umfassen. Dies sei als Tiefbahnhof aus Kostengründen nicht denkbar. Er verwies darauf, dass die Kapazität des Stuttgarter Kopfbahnhofes zu allen Zeiten ausgereicht habe, zumal vor dem S-Bahn-Zeitalter auch alle Vorortzüge dort ein- und ausgefahren seien. Beim geplanten Durchgangsbahnhof dagegen sei schon jetzt absehbar, dass er nicht optimal funktioniere und kaum Reserven habe.

Ein Knackpunkt ist laut Bodack der Bereich um den Flughafen: Zwischen Stuttgart-Rohr und dem Flughafen müssten sich ICE-, RegionalExpress- und S-Bahn-Züge je ein Gleis teilen, was zu erheblichen Problemen bei der Gestaltung und Abwicklung des Fahrplanes führe. Problematisch sei auch die Verbindung vom bestehenden zum neuen Flughafenbahnhof. Durch die Eingleisigkeit würden sich Verspätungen potenzieren. Diese und weitere Mängel seien eindeutig eine Folge des Sparzwanges, dessen Ursache wiederum daran liege, dass man unter allen Umständen die vorgegebenen Kostenobergrenzen einhalten wolle.

Nach Angaben des Fachmannes gibt es bei der Bahn „an höchster Stelle“ jede Menge Mitarbeiter, welche die Kritik an Stuttgart 21 teilen. Viele würden lediglich den vorgegebenen Auftrag umsetzen, einige sich aber auch trauen, mit ihren Bedenken verdeckt an die Öffentlichkeit zu gehen.

Verständnis für Ulmer Sicht

An der geplanten Neubaustrecke zwischen Ulm und Wendlingen ließ Bodack kaum ein gutes Haar. Er verstehe, dass die Ulmer „die gerne hätten“, um zum Beispiel rasch zur Arbeit oder in die Königstraße zum Einkaufen zu gelangen. Man müsse sich aber klar machen, dass nun mit einem immensen Aufwand – was die Relation München-Stuttgart betreffe – nur in etwa die Fahrzeit wieder erreicht werde, die man für diese Strecke im Jahr 1995 benötigt hat. Allein zwischen Ulm und Günzburg sind die Züge nach Auskunft von Bodack heute sechs Minuten länger unterwegs als vor 15 Jahren – eine Folge unter anderem des Abbaus von Überholungsgleisen.

Der Bahn-Fachmann konnte weitere Zahlen präsentieren, die auch einige der anwesenden Befürworter beider Projekte ins Grübeln brachten: Im Schnitt seien bei der Bahn 50 Millionen Euro notwendig, um eine Minute Fahrzeitverkürzung zu erreichen. Bei Stuttgart-Ulm müsse man jedoch mit 250 Millionen Euro rechnen. Bodack zeigte Verständnis für die Auffassung, dass nun „auch mal Ulm und Baden-Württemberg Geld bekommen sollten“. Aber dieses Geld sollte doch bitte „schwäbisch-effizient“ verwendet werden. Die Bahn sei an den Projekten jedenfalls nur interessiert, weil die öffentliche Hand sehr viel Geld für deren Bau bereit stelle, während die Erträge aus dem späteren Betrieb bei der Bahn verbleiben würden.

Die Strecke weise einen um 160 Meter höheren Scheitelpunkt auf der Alb auf als die bestehende, was zu einem Mehrverbrauch von etwa sieben Millionen Kilowattstunden im Jahr führen werde. Hinzu kämen höhere Verbräuche aufgrund der höheren Geschwindigkeiten sowie der Tunnelfahrten. Bodack: „Ein echter Schwabenstreich!“ Am Beispiel Frankreich zeigte er auf, dass es auch etwas anders ginge. Dort würde die Geschwindigkeit der Landschaft angepasst werden, in Deutschland müsse man aber unbedingt durchgehend 250 Kilometer pro Stunde unterwegs sein, „selbst bei einer 17 Kilometer langen Steigung von 35 Promille“. Bodack: „Das ist nicht nur Gotthard-Nordrampe, das ist Weltrekord!“ Eigens für diesen kurzen Abschnitt Lokomotiven zu entwickeln, die „irrsinnige Leistungsanforderungen“ hätten, sei zudem ein Unding.

Erschreckende Zahlen zur Neubaustrecke

Die Kostenberechnung der Bahn mit 2,9 Milliarden Euro für die Neubaustrecke zweifelte Bodack nicht an. Das Problem sei aber, dass bei „durchweg allen“ entsprechenden Projekten Kostensteigerungen zwischen 80 und 140 Prozent auftreten würden, weshalb die von Dritten ermittelten Kosten von 5,2 Milliarden Euro durchaus realistisch seien. Eindrücklich war seine hierzu angeführte Zahlenreihe: Bei Stuttgart 21 müsse mit 150 Millionen Euro Baukosten je Kilometer gerechnet werden, bei der Neubaustrecke mit 63, bei einem einfachen Ausbau zwischen Ulm und Augsburg jedoch nur mit 13.

Der Referent geht davon aus, dass als Folge der hohen Baukosten für Züge, die auf der Neubaustrecke einmal fahren sollen, rund 60 % höhere Trassenentgelte als heute zu entrichten sind. Bodack verwies in diesem Zusammenhang auf die Neubaustrecke Nürnberg-Ingolstadt. Der Freistaat Bayern würde trotz der attraktiven Fahrzeit dort nur alle zwei Stunden einen Regionalzug bestellen, weil die Kosten von 4,50 auf 14 Euro je Kilometer gestiegen seien. Mit einem ICE, einem IC und einem RE seien zwischen Ulm und Stuttgart drei Züge je Stunde geplant, was zu etwa acht Millionen Fahrgästen im Jahr führen würde. Inclusive Zins, Abschreibung und Instandhaltung würde damit jede Fahrt um 50 Euro teurer als heute werden.

Kritik an Bahnpolitik der DB

Bodack kritisierte die generelle DB-Bahnpolitik, in dem er zum Beispiel aufzeigte, dass in den letzten 12 Jahren die Netzlänge um 16 %, die Zahl von Weichen und Kreuzungen um 44 % und die privaten Gleisanschlüsse gar um 66 % abgenommen hätten. In der Schweiz würde nur ein Drittel der öffentlichen Zuschüsse pro Personenkilometer für den Bahnverkehr notwendig sein als in Deutschland. Im Fernverkehr hätte die Bahn heute weniger Fahrgäste als noch 1995. Im Nahverkehr hätte es dagegen – bei 50 Prozent höherer Zugleistung – eine Steigerung um ein Drittel gegeben. Dies zeige: mehr Züge und ein dichter Takt sind wichtig, wichtiger als eine kurze Fahrzeit.

Die Bahn verfolgt nach Meinung des Referenten bei Bauvorhaben intern die Strategie „intern planen – an die Öffentlichkeit gehen – Klagen gewinnen und dann bauen“. Bodack plädierte stattdessen dafür, vor Beginn von Planfeststellungsverfahren mit den Bürgern zu reden und Kritik aufzunehmen. Dass es dabei zu raschen Ergebnissen kommen könne, zeige ein auf Druck von Bürgern umgeplanter Abschnitt der Strecke Nürnberg-Erfurt.

Speziell im Blick auf Stuttgart 21 stellte er dar, dass ein Zugkilometer im Nahverkehr den Besteller üblicherweise im Schnitt 4,50 Euro koste. Das Land Baden-Württemberg habe sich wegen Stuttgart 21 jedoch vor einigen Jahren zu einem Betrag von 9 Euro verpflichtet. Dies bedeute: Eigentlich könnten für die gleiche Summe Geld in Baden-Württemberg doppelt so viele Züge fahren.

„Neubaustrecke nicht vor 2030 fertig!“

Bodacks mit äußerster Sachlichkeit und ohne jeden missionarischen Eifer vorgetragenen Ausführungen wurden vom Publikum mit viel Applaus versehen. Bei der Aussprache meldeten sich Gegner wie Befürworter beider Projekte zu Wort. Bei der dabei auftauchenden Frage, wie man aus geschlossenen Verträgen wieder aussteigen könnte, verwies Bodack auf die Politik: „Die Politiker sollen zugeben, dass ihnen viele Fakten bei der Entscheidung nicht bekannt waren!“

Die aus dem Publikum aufgeworfene Sorge, dass das für beide Projekte vorgesehene Geld möglicherweise anderswo verbaut werde, sollte jetzt nicht daran festgehalten werden, bejahte Bodack weitgehend, was ihm aber Widerspruch aus dem Publikum einbrachte, denn hierzu gebe es auch andere Aussagen. Nach Bodacks Meinung würden die von Land, Region und Stadt bereits zugesagten Gelder ausreichen, um deutliche Verbesserungen zu erreichen, so eine Beschleunigung der bestehenden Strecke, eine verbesserte Anbindung des Flughafens und eine Modernisierung des Stuttgarter Kopfbahnhofes.

Die vom Referenten vorgestellten Vorschläge hätten den Vorteil, dass sie abschnittsweise umgesetzt werden könnten, so dass die Fahrgäste nach und nach von dem investierten Geld profitierten. Dagegen kann sich Bodack nicht vorstellen, dass Stuttgart 21 und die Neubaustrecke vor dem Jahr 2030 fertiggestellt sind. Um dies zu prognostizieren reiche ein Blick in den Bundeshaushalt, nachdem für Neubaumaßnahmen bundesweit jährlich nur 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung stünden und es dringlichere Projekte wie etwa den Ausbau im Rheintal gebe. Zudem habe der Bund bisher nur 1 Milliarde Euro zugesagt, bei Kostensteigerungen werde das große Gerangel losgehen, wer diese zu tragen habe.



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