Digitaler Gaming-Trend: Ist der E-Sport noch aufzuhalten?

 Der E-Sport stellt die Sportwelt auf den Kopf, denn bislang galten weitgehend bewegungsfreie Wettkämpfe nur in wenigen Ausnahmefällen tatsächlich als "Sport".
Das Schachspiel gehört zu denjenigen raren Klassikern, die aufgrund ihres hohen Anspruchs schon immer der Sportwelt zugeordnet wurden, doch inzwischen hat sich massenweise Konkurrenz eingestellt. Und bei genauerem Hinsehen erscheint es sogar ganz richtig, auch den E-Sport dem offiziellen Sportsektor anzugliedern, da neben den verstandesmäßigen Leistungen auch eine hervorragende Hand-Augen- Koordination sowie eine enorme Reaktionsgeschwindigkeit gefragt sind. Das Durchhaltevermögen wird bei so manchem Turnier ebenfalls arg auf die Probe gestellt.  
In Frankreich, Brasilien, China und den USA haben die offiziellen Sportverbände längst bestätigt, dass der E-Sport tatsächlich ein Sport ist, und auch in Deutschland ist in diesem Sinne einiges in Bewegung geraten, obwohl die Entscheidung hier noch aussteht.
Eine augenfällige Gemeinsamkeit zwischen den klassischen Sportarten und dem E- Sport lässt sich gleich zu Anfang feststellen: Beide Sportvarianten manifestieren sich sowohl in der Mannschafts- als auch in der Individualebene: Teamplayer erhalten ebenso wie Einzelkämpfer ihre Chance, sich in Turnieren zu beweisen und das Siegertreppchen zu erklimmen.
Als Thema für unsere Gesellschaft existiert der E-Sport allerdings bei Weitem noch nicht so lange wie der traditionelle Sport, wenn auch die Grundidee, sich in Videospielen miteinander zu messen, bereits so viele Jahre zählt, wie es die digitalen Titel gibt. Der Begriff "E-Sport" fand in den 1990er Jahren zum ersten Mal Verwendung, obwohl vereinzelt bereits in den 70er-Jahren Menschen virtuell gegeneinander antraten, zum Beispiel im Tic-Tac- Toe und im digitalen Tennis. Der erste offizielle E-Wettkampf fand wahrscheinlich im Jahr 1972 statt, als auf dem Campus der US-amerikanischen Stanford University verschiedene Spielefreaks im »Spacewar!« gegeneinander antraten. Als Siegespreis winkte ganz zeitgerecht ein Abonnement des berühmten Musikmagazins »Rolling Stone«.
Wenige Jahre später etablierten sich die ersten Highscore-Tabellen für die in öffentlichen Spielhallen aufgestellten Spielkonsolen: Endlich war ein direkter Vergleich mit der Vor-Ort- Konkurrenz möglich!
Ein wahres Massen-Event fand im Jahr 1980 statt, als sich über 10.000 »Space Invader«-Fans in New York zu einem Turnier trafen. Es folgten die LAN-Partys der 90er Jahre, als Gaming-Freaks ihre Rechner miteinander vernetzten, um nächtelang exzessiv gegen- und miteinander spielen zu können. Mittlerweile haben sich nicht nur weltweit bekannte E-Sport- Stars aus der Masse herausgesc hält, sondern es gibt auch E-Sport- Journalisten und natürlich ein dazu passendes, breitgefächertes Publikum.
Die Turniere lassen sich im Live-Stream im Internet verfolgen, finden aber auch lokal statt, wie zum Beispiel das extrem gut besuchte Kölner Counterstrike-Event »ESL One Cologne«. Die etwa 15.000 Besucher verbreiten fröhliche Festival Stimmung, jubeln ihren Favoriten zu und be nehmen sich auch sonst in etwa so wie auf einem großen Fußball- oder Eishockeyturnier. »Entertainment« heißt die Devise: Mitjubeln bedeutet, aktiv mitzumachen! Dabei lässt sich eines deutlich beobachten: Der durchschnittliche E- Sport-Fan ist in der Regel jung, oftmals männlich und ein Technikfan.
Der Altersdurchschnitt des regulären Breitensports liegt höher, doch die Vergangenheit hat bereits gezeigt, dass neue Trends erst ganz allmählich von den älteren Bevölkerungsgruppen entdeckt und besetzt werden. Die deutschen Sportvereine jedenfalls sind bereits hellhörig geworden, neben Schalke 04 betreiben auch der VfB Stuttgart und der VfL Wolfsburg eigene E-Sport- Abteilungen, in denen eine durchaus klassisch anmutende Vereinskultur gelebt wird. Hier zeigt sich, dass der E-Sport durchaus eine neue, moderne Variante darstellen kann, sich seinem Lieblingssport zu nähern und ihn zu leben. Wer den Fußball liebt, selbst aber auf dem Rasen keine besonderen Leistungen bringt, in dem verbirgt sich vielleicht ein begabter E-Athlet! Viele E-Sport- Freunde erleben die Kommunikation zwischen den eigentlichen Sportlern und ihrem Publikum als extrem dynamisch. Zwischen den beiden Parteien besteht eine viel größere Nähe als im regulären Sport, die Wege über das digitale Netz sind einfach kürzer und kommunikativer. Allerdings erweist sich gerade aufgrund dieser Dynamik der eine oder andere heiße Trend als allzu kurzlebig, das Licht erlischt bereits, bevor es überhaupt zur lodernden Flamme wurde. Andere Leuchten strahlen dafür umso heller, wie beispielsweise das berühmte Counter Strike, dessen Hype noch lange kein Ende zu nehmen scheint. Der E-Sport an sich bleibt sicher ebenso lange bestehen, wie die Welt auf digitale Vernetzung setzt! Er wird sich noch weiter entfalten, verfeinern, aufspalten und immer wieder neue Entwicklungen hervorbringen. Wie im Breitensport kann sich garantiert nicht jeder dafür begeistern, aber der Fankreis dieser modernen Bewegung wächst seit Jahrzehnten zusehends – mit guten Aussichten für die Zukunft.