Ulm News, 19.01.2018 12:31
„Stirbt die Biene, dann stirbt der Mensch“ - Landratsamt Neu-Ulm will Insekten Lebensraum zurückgeben
Der Landkreis Neu-Ulm soll weiter aufblühen. Geplant ist, möglichst zahlreich artenreiche Wildblumenwiesen anzusäen, damit die stark bedrohte heimische Insektenwelt wieder mehr Lebensräume erhält. Das Projekt „Blühende Landschaft durch artenreiche Wildblumenwiesen“ geht vom Fachbereich „Naturschutz und Landschaftsplanung“ des Landratsamts (Untere Naturschutzbehörde) aus.
Fachbereichsleiter Michael Angerer, von dem die Idee stammt, rührt dafür seit einigen Wochen kräftig die Werbetrommel: Bei der Kreisversammlung der Obst- und Gartenbauvereine am 16. November vorigen Jahres hielt er einen flammenden Fachvortrag. Im Dezember hat er alle 17 Städte, Märkte und Gemeinden im Landkreis angeschrieben.
In dem Brief heißt es: „Bereits kleine Maßnahmen können dazu beitragen, unsere Vielfalt an Wildbienen, Schmetterlingen und Käfern nachhaltig zu sichern.“ Konkret, so Angerer, „sollen dabei neue Lebensräume für Insekten geschaffen und bestehende aufgewertet werden, indem Saatgut mit Wildblumen ausgebracht wird“.
2 Dafür ins Auge gefasst hat der Fachmann vor allem Grünstreifen, Weg- und Straßenränder, Feldraine, ökologische Ausgleichs- sowie Biotopverbundflächen. Bereits von sieben Kommunen hat Angerer positive Rückmeldungen erhalten; sie sind bereit, Flächen zur Verfügung zu stellen und diese zu betreuen. Die von der Unteren Naturschutzbehörde vorgeschlagenen Abschnitte werden nun gemeinsam besichtigt. Im April/Mai 2018 soll dann mit der Einsaat der ersten Wildblumenwiesen begonnen werden. Im Herbst 2018/Frühjahr 2019 ist vorgesehen, auf weiterem Land entsprechendes Saatgut auszusäen. Michael Angerer denkt dabei auch an die Außenanlagen der landkreiseigenen Schulen: Gymnasien, Realschulen und berufliche Schulen. Dass Handlungsbedarf besteht, daran lässt der Experte vom Landratsamt keinen Zweifel. Er führt Untersuchungen an, wonach von den 560 Wildbienenarten, die in Deutschland vorkommen, 41 Prozent als bestandsgefährdet gelten. Die Zahl der Schmetterlinge sei in Europa seit 1990 um 25 Prozent zurückgegangen, mancherorts sogar um 40 Prozent.
Die Gründe dafür sind vielschichtig: der Verlust geeigneter Lebensräume für die Insekten, etwa durch die grassierende Flächenversiegelung; der zunehmende Anbau von Monokulturen (zum Beispiel Mais); die Behandlung von Saatpflanzen mit Insektenschutzmitteln, vor allem so genannten Neonicotinoide (NNIs), die als Nervengifte wirken. Und auch der Klimawandel dürfte einen negativen Einfluss auf die Insektenpopulation haben. Angerer erklärt: „Durch die höheren Durchschnittstemperaturen im Frühjahr kommt es zu einer früheren Blütenbildung von Arten. Die Blüten entfalten sich somit teilweise schon vor der abgeschlossenen Entwicklungsphase der Fluginsekten.“ Die Folgen sind für Tier und Mensch gravierend: Bienen, Schmetterlinge, aber auch Fliegen und Falter fallen als Pflanzenbestäuber, Zersetzer und Nahrungsgrundlage für andere Tiere aus. Dabei – so Angerer – „werden heute dreimal so viele Lebensmittel hergestellt, die auf Bestäubung angewiesen sind als noch vor 50 Jahren“.
Der Mensch hänge also noch stärker als früher von Insekten ab. Michael Angerer zitiert Albert Einstein: „Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, kein Mensch mehr.“ „So weit dürfen wir es nicht kommen lassen!“, fordert der Leiter der Unteren Naturschutzbehörde. „Wir müssen mit unseren Möglichkeiten gegensteuern.“
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